173 – Du und das Universum, 3 Kurztexte

Wolfgang Cziesla: DER FIRWITZ – 173. Teilabriss

Du und das Universum

Das Universum braucht mich nicht. Ich habe jeden Tag frei. Das ist ein wunderbares Gefühl. Ich kann Geld verdienen, aber ich muss nicht. Die Natur, das spüre ich, hätte gern gehabt, dass ich mich vermehrt hätte. Mehr von meiner Brut in die Welt gesetzt, die sich vielleicht ebenfalls gefragt hätte, ob das Universum sie braucht.

Mein Werk wird nicht gebraucht. Mit meinem Schreiben falle ich unter den Artenschutz. Mit dem Kauf meines Romans leisten Sie einen Beitrag zur Existenz einer ganzen Art.

[oder in der Du-Form?:]

Das Universum braucht dich nicht. Du hast jeden Tag frei. Ist das nicht ein wunderbares Gefühl? Du kannst Geld verdienen, aber du musst nicht. Die Natur hätte gern gehabt, dass du dich vermehrt hättest. Mehr von deiner Brut in die Welt gesetzt, die sich vielleicht ebenfalls gefragt hätte, ob das Universum sie braucht. […]

 

Kategorischer Imperativ

Ich bin absolut aggressionsfrei. Selbst das Streiten ist eine Tätigkeit, die man mir jedes Mal neu erklären muss. Ich weiß nicht, warum Menschen sich streiten. Ich stehe jedes Mal staunend außerhalb. Denke, beide könnten Recht haben, oder auch nur einer von ihnen. Das ist egal. Das kann auch nicht entschieden werden. Ich weiß nichts. Absolut gar nichts. Jedenfalls nicht sicher. Und damit kann ich sehr schön leben. Besser als wenn ich alles wüsste. Oder auch nur einiges. Sind Menschen, die etwas wissen, nicht schrecklich? Besonders, wenn sie ihr Wissen oder – schlimmer noch: – ihre bloße Meinung an andere Menschen herantragen. Je sicherer sie sich sind, desto schrecklicher. Was richtig ist, werden wir zu unseren Lebzeiten nicht herausfinden. Und wenn doch: Wer garantiert uns, dass nachfolgende Generationen nicht das genaue Gegenteil herausfinden? Statt sich deswegen zu streiten, lieber ein Gläschen zusammen trinken. Was auch immer. Aber da geht der Streit schon los.

 

Der vermasselte Tod

Ich habe in meinem Leben schon viel vermasselt – Geschichten mit Frauen, Wege zur Berühmtheit, Bücher … Ich sorge mich, dass ich auch meinen Tod vermasseln könnte. Dass er mich enttäuscht, so plötzlich wie er kommt. Ich möchte mich auf meinen Tod vorbereiten, ihn bewusst erleben können. Denn wenn alles mit rechten Dingen zugeht, ist der Tod das größte und schwierigste Erlebnis seit meiner Geburt. Alle anderen Abenteuer, auch meine Beinah-Tode, fallen dahinter zurück. Ich lebe mit der Einstellung: So lange ich lebe, habe ich das Beeindruckendste noch immer vor. Zugleich die beste Chance, Tapferkeit und Größe zu beweisen. Und wenn der Tod kommt und ebenfalls ein Flop wird – so wie meine schlech­tes­ten Romane? Schrecklich.