Wolfgang Cziesla: DER FIRWITZ, 124. Teilabriss
FESTHALTEN
Therapeutisches Schreiben? Eher eine präventive Tätigkeit, um Krankheiten zu vermeiden. So wie Atmen, Essen, Trinken, Verdauen, Sex haben und Bewegung überhaupt auf eine gute Gesundheit hinweisen, Krankheit sich aber unvermeidlich einstellt, fällt eine dieser vitalen Körperfunktionen aus.
In einem älteren Spielfilm rät ein Mann einem anderen: Was du liebst, das musst du festhalten.
Das ist im Film konkret auf eine Frau bezogen, jedoch auf andere Themen übertragbar. Kern meines Schreibens ist das Festhalten meines Lebens.
Bin ich mit meinem Tagebuch, dem bloßen – unliterarischen – Aufzeichnen meiner Erlebnisse und Tätigkeiten, in Verzug, stellt sich Unwohlsein ein. Mein Leben nicht festzuhalten würde mich krank machen. Die Erinnerungen an meine Mutter, meine Liebschaften, Reisen, die Bücher, Musik, Filme … auch meine Rezensionen sind eine Form autobiografischen Schreibens. Fixieren, was ich gelesen und was ich mir dabei gedacht habe, zunächst, um es nicht zu verlieren oder zumindest um es wiederauffindbar zu halten. Dann erst die Empfehlung an andere, das Kommunikationsangebot, die Auseinandersetzung, das Korrektiv.
Die täglichen Aufzeichnungen haben in ihrer Menge zugenommen. Ich muss mein Leben wohl sehr lieben. Alles, Bücher, Filme, Musik, Menschen, denen ich begegne – ich möchte alles festhalten. Dass williger ich dann sterbe. Behaupte noch einmal ein Finanzbeamter, das sei ein Hobby!