185 – Blauversiegeltes abgetippt

Wolfgang Cziesla: DER FIRWITZ – 185. Teilabriss

Blauversiegeltes abgetippt

 

Es heißt, im Moment des Sterbens ziehe das gesamte Leben noch einmal im Zeitraffer an einem vorüber. Das mag ein erkenntnisreicher Prozess sein, der aber zwei Nachteile hat: Erstens, danach ist man tot, man kann die plötzliche Einsicht nicht mehr nutzbar machen, und zweitens, es geht wohl sehr schnell.

Durch das Abtippen meiner Zeitnachweise versuche ich den Prozess erstens vorzuziehen und zweitens zu entschleunigen.

Heute sind es die Tage und Wochen vor dem Tod meines Vaters, die ich zum zweiten Mal erlebe. Ich zögere, mit dem Abtippen zu beginnen.

[22.06.2013]

 

[Mit dem Stand vom 23.09.2014 sind 27 Jahre meiner seit 1971 tagtäglich festgehaltenen Zeitnachweise komplett und 16 weitere Jahre bis über die erste Jahreshälfte hinaus abgetippt. Vor der Veröffentlichung im Internet muss der Schutz der Persönlichkeit der in den Aufzeichnungen genannten Personen gewährleistet sein. Namen von Privatpersonen, die sich nicht durch die Veröffentlichung einen größeren Bekanntheitsgrad versprechen (zum Beispiel manche meiner ehemaligen Geliebten) müssen vor der Veröffentlichung anonymisiert werden; Personen dagegen, die ihren Namen gern in der Öffentlichkeit verbreitet sehen (Schriftsteller, Künstler, Musiker, Wissenschaftler etc.) sollen mit ihren authentischen Namen so lange genannt bleiben, bis sie sich gegenteilig äußern. Als Chroniken dürften die über mehr als vier Jahrzehnte geführten täglichen Aufzeichnungen einen gewissen Wert besonders hinsichtlich der Rekonstruktion des kulturellen Lebens zu den jeweiligen Aufenthaltsorten des Autors haben. Nach der kompletten Digitalisierung der Aufzeichnungen sollen verschiedene Indices erstellt werden, zum Beispiel über persönliche Begegnungen mit Schriftstellern, Künstlern, Musikern, über besuchte Autorenlesungen, gesehene Filme, gehörte Konzerte, besuchte Ausstellungen etc.] W. Cz. 23.09.2014